Der Besuch

Der Besuch

von dem berühmten Autor, der schon mal Besuch hatte.

Gegen Zehn hatte sich der Besuch angekündigt. Nun war es bereits fünf nach Zehn und ich hatte immer noch meine olivene lange Unterhose vom Bund an und mein schickes schwarzes T-Shirt mit Raumschiff Enterprise und dem Gesicht von Kapitän Kirk drauf. Ich saß auf meinem Stuhl und blies in eine Blockflöte. Der Ton war sanft und romantisch. Sofort dachte ich mich auf eine grüne saftige Wiese, irgendwo im Pazifik und die Sonne schien, ich wurde ganz braun, auch untenrum, da ich ja kein Bock hab extra auf Klo zu rennen nur weil man mal muß, alter. Ein herrliches Gefühl mit der trockenen Kruste am…, aber da wurde ich plötzlich unsanft aus meinen Träumereien geweckt, die Türglocke bimmelte wie bekloppt.

Ah, mein Besuch. Ich öffnete die Tür und da stand er: Groß, muskulär und braungebrannt, er hatte ein lässiges graues Jackett an und eine lässige graue Hose, aber leider sehr häßliche braune Bergschuhe zum Schnüren. Es war der Mann von der BUDOWSKY ALLGEMEINE LEBEN, Kreis Rendsburg Eckernförde. Er hatte sich schon am Morgen angekündigt, er wollte mit mir über Versicherungen sprechen. Aber immer. Und nun war er da.

Als ich ihn hereinbat, sorgte ein kleines Mißgeschick für erste Unruhe und ein unfreiwilliges Sich-Näherkommen. Er wollte gerade an mir vorbei und mein Hausflur der ist ja nun so eng und zufälligerweise mußte ich in diesem Augenblick furzen. Wenn ich furze ist das ziemlich laut und es stinkt auch richtig ekelhaft. Der Versicherungsmensch wollte diesem entgehen und hechtete sich mit einem gewaltigen Satz ins Badezimmer, er glich einem Leoparden, der eine Gazelle zu erlegen droht. Doch auch ich hechtete mich ins Badezimmer, da auch ich vor meinen eigenen Fürzen flüchte. Bereits auf der Höhe des Türrahmens stießen wir mit voller Wucht zusammen, wir holten uns praktisch gegenseitig aus der Luft und landeten gemeinsam in der feuchten Badewanne, in die ich vorhin meine Topfpflanzen zum Bewässern gestellt hatte. Ich lag unten und meine Unterhose wurde nun dreckig und noch dunkler im Teint, der Mensch von der Versicherung beeilte sich von mir loszukommen und mit allerlei Entschuldigungen versuchte er, aus der Wanne zu kraxeln, doch er war ziemlich ungeschickt, er rutschte immer wieder ab und knallte gleichzeitig mit seinem Kinn gegen meine Armaturen und mit der Nase gegen den Wannenrand. Erst nach einiger Zeit konnten wir uns befreien und wir schlenderten lachend ins Wohnzimmer.
Dort bot ich meinem Gast einen Schemel und ein Glas Holsten an, er trank es in einem Zug und rülpste leise hinter vorgehaltener Hand während ich es mir in meinem Tommy-Ohrner-Sessel bequem machte. Ja, Tommy-Ohrner-Sessel: Weil natürlich das lachende Gesicht meines Idols Tommy Ohrner in den Sessel gestickt ist. Na dann kann es ja losgehen, mein Name ist Michael, ach ja das müßten Sie ja wissen, Naja und wie denn sein Name sei, wagte ich keck zu fragen. Robert, der Tausendsassa von der BUDOWSKY ALLGEMEINE LEBEN war die witzige Antwort, über die ich mich fast totgelacht hätte, jedenfalls bildete sich vor Lachen in meiner Unterhose ein zweiter dunkler Fleck. Also, fing er an, damals , und dann erzählte er mir unter ständigem Wischen seiner Stirn mit seinem Taschentuch, wie teuer und wie gefährlich das Leben in Deutschland geworden wäre, zum Beispiel könnte ich am Arbeitsplatz einen Unfall verursachen, (hab ich schon, dachte ich, Menschenskind, damals bei Brilliant&CO in der Pause beim Blitzschach, als ich dem Jimmy aus Versehen mitm Ellenbogen die Zähne rausgeschlagen habe), und dann wäre ich quasi ohne Versicherung ganz schön alleine dastehend. Der Mensch sei des Menschen Wolf geworden, fuhr er fort, eine Arbeistsplatz- und Rechtschutzversicherung wäre heutzutage leider fast schon notwendig.
Also her mit dem Wisch, sagte ich, unterschreib ich glatt, wenn ich die geilen Aufkleber von der BUDOWSKY ALLGEMEINE LEBEN krieg. Das fand er gar nicht so komisch, er lächelte nur säuerlich und steckte sich zitternd eine Zigarette an. Ich hatte keine Lust mehr auf Robert und machte den Fernseher an. Ah, die Peanuts, nee scheiße nur Werbung mit den Peanuts, Robert hörte gar nicht wieder auf zu reden. Mensch, Robert, mach mal Pause sagte ich und warf mit meinem Schuhputzzeug nach ihm. Sonst treffe ich eigentlich nie, aber der Teufel ist ein Eichkätzlein und so traf ich ihn genau in die Visage, so daß ihm der Zigarettenstummel in die Backe brannte. Ja nix für ungut alter, wasslos willste noch n Bier, Rauchen will gelernt sein. Und darüber mußte ich mich nun schon wieder so befeixen, daß sich der Fleck in meiner Hose ausbreitete. Zudem kippte ich mit dem Sessel hintenüber, ich machte eine Rolle rückwärts und riß dabei meine Jean-Paul-Belmondo-Poster von der Wand, ich lag auf dem Rücken, immer noch wiehernd und mir den Bauch haltend. Mensch, Robert, du bist der richtige, alter, schade, daß wir keine Freunde sind, schrie ich so laut ich konnte. Wie er denn Jean-Paul-Belmondo fände, fragte ich rhetorisch, denn ich weiß ja, daß alle Menschen Jean-Paul geil finden, sonst wäre er ja nicht berühmt, oder was.
Robert hatte inzwischen sein Nasenbluten gestillt und antwortete, er sei ganz versessen auf alle Jean-Paul Belmondo Filme und er mag auch ganz gern alle John Wayne Western. Da mich das herzlich wenig interessierte stand ich auf und ging in die Küche, um endlich mal abzuwaschen. Das hatte ich meinem Stoffbären heute morgen versprochen. Robert kam hinterhergetänzelt. Robert hilf mal, dann bin ich schneller fertig, klaro? Robert musste spülen ich trocknete ab und räumte das Geschirr weg. Harmonische Bewegungsabläufe, wir waren in null Komma nichts fertig, es wäre noch schneller gegangen, wenn ich Robert nicht im Eifer des Gefechtes mit dem Fleischermesser geschnitten hätte und er nicht angefangen hätte wie ein Schwein zu bluten. Robert nich mauln, morgen haste es vergessen.
Ich setzte mich wieder in den Sessel, Robert kam hinterhergeschlurft, setzte sich wieder auf seinen Schemel. Ich dachte, ich müßte was Gutes für ihn tun und warf ihm ein Stück Blutwurst hin, hier Robert nix für ungut. Er müsse jetzt gleich wieder los, meinte er dann kauend und was denn jetzt mit der Versicherung sei. Ja nix, Robert, ich hab schon mal nen Unfall gebaut, das war nich witzig dafür brauch ich nicht noch extra ’ne Versicherung, das kann ruhig dem Zufall überlassen bleiben. Denn hatte ich auch keinen Bock mehr mich zu unterhalten, ich zog mich nackt aus, urinierte noch kurz das restliche Holsten in meine Yukka und stieg in meinen Helly-Hansen Schlafsack, nicht bevor ich die Sicherungen rausgedreht hatte. Im Flur hörte ich Robert rumoren, er stieß ein paarmal gegen meine massive Shiwa-Bronzestatue bevor er endlich die Haustür erreichte. Ich murmelte ein Tschüß in mein Colt-Sievers-Kissen, schlief ganz schnell ein und träumte von einer friedlichen Weihnacht.
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